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Zu unerwünschten Nebenwirkungen guter Absichten

Gedanken zu den Auswirkungen von §§ 8 und 11 Abs 1 DMSG

Raimund Karl

Bangor University

Abb. 1: Fundmeldezahlen meldepflichtiger Funde in Enland und Wales, Schottland un Österreich im Vergleich (Zahlen dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt von PAS, BDA)

Ein altes Sprichwort besagt, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert sei. In diesem Beitrag möchte ich mich dem Schlechten des Guten (Watzlawick 2001) in den §§ 8 und 11 Abs 1 des österreichischen Denkmalschutzgesetzes (kurz DMSG; Bazil et al. 2004, 86-8, 94-100) widmen, ein Gesetz (und der archäologische Denkmalschutz ganz generell ein Thema), das meiner Meinung nach in der archäologischen Fachwelt viel zu wenig Beachtung gefunden hat.

Zu Ihrer gefälligen Erinnerung: § 8 DMSG bestimmt die Meldepflicht archäologischer Bodendenkmale, d.h. in den Worten des Gesetzes aller „Gegenstände, die infolge ihrer Lage, Form oder Beschaffenheit offenkundig den Beschränkungen dieses Bundesgesetzes unterliegen könnten“. Erfolgt die Meldung eines solchen Bodendenkmals „sofort, spätestens aber an dem der Auffindung folgenden Werktag“ an das Bundesdenkmalamt (kurz BDA) oder einige andere vom Gesetz vorgesehene Meldestellen, wird der Finder gemäß § 399 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (kurz ABGB) zum Hälfteeigentümer der gemachten Funde, während die andere Hälfte Eigentum des Grundeigentümers wird.

Ausgenommen ist dabei gemäß § 400 ABGB nur jener Finder, der sich „dabey einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht; … ohne Wissen und Willen des Nutzungseigenthümers den Schatz aufgesucht; oder den Fund verheimlichet hat; dessen Antheil soll dem Angeber; oder, wenn kein Angeber vorhanden ist, dem Staate zufallen“. Gemäß den im Internet auf den Webseiten des BDA veröffentlichten Antworten auf häufige Fragen (http://www.bda.at/faq/0/1122/32#id_32, abgerufen 13.12.2010) ist „eine strafbare Handlung … etwa, ohne Genehmigung des Bundesdenkmalamtes nach Bodendenkmalen zu graben“.

Das bringt uns zu § 11 Abs 1 DMSG, jenem Paragraphen, in dem die Vergabe von Grabungsgenehmigungen durch das BDA geregelt ist. Diesem Paragraphen zufolge kann nämlich „eine derartige Bewilligung … nur an Personen erteilt werden, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben“. Streng rechtlich gesehen bedeutet das, wieder dem Wortlaut dieses Paragraphen zufolge, dass „die Nachforschung durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung) und sonstige Nachforschungen an Ort und Stelle zum Zwecke der Entdeckung und Untersuchung beweglicher und unbeweglicher Denkmale unter der Erd- bzw. Wasseroberfläche“ für alle Menschen in Österreich, die kein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, gesetzlich direkt verboten und somit ausgeschlossen ist.

Diese Gesetzeslage ist sicherlich Ergebnis bester Absichten, bester Vorsätze. § 8 DMSG generiert in Verbindung mit den §§ 399 und 400 ABGB eine starke Motivation für Finder, Funde rasch und ordentlich zu melden, um nicht des dem Finder im Fall einer solchen Meldung zustehenden Eigentumsanteils am Fund verlustig zu gehen. Die gute Absicht ist sicherlich, dass möglichst alle Bodenfunde den zuständigen Behörden gemeldet werden, damit das Wissen um die von der Öffentlichkeit „zufällig“ gemachten, aber dennoch historisch bedeutsamen archäologischen Funde nicht verloren geht.

§ 11 Abs 1 DMSG hingegen folgt den Vorgaben des auch von Österreich ratifizierten Europäischen Übereinkommens zum Schutz des archäologischen Erbes (London, 6.V.1969, http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/066.htm, abgerufen 13.12.2010), insbesondere des Artikels 3 dieses Übereinkommens. Dieser lautet:

„Um die wissenschaftliche Bedeutung archäologischer Ausgrabungen an Fundorten und Stätten sowie in den nach Artikel 2 festgelegten Grabungsschutzgebieten in völligem Umfang zu erhalten, verpflichtet sich jede Vertragspartei, im Rahmen des Möglichen:

  1. a.      unzulässige Ausgrabungen zu verbieten und zu verhindern;
  2. b.      zweckdienliche Maßnahmen zu treffen, damit archäologische Ausgrabungen nach Erteilung einer besonderen Genehmigung nur fachlich geeigneten Personen übertragen werden;
  3. sicherzustellen, dass die Ausgrabungsbefunde überwacht und erhalten werden.“

Um dieser vertraglich vereinbarten Verpflichtung nachzukommen – Österreich hat dieses Übereinkommen am 27.2.1974 ratifiziert (siehe BGBl. Nr. 239/1974) – wurde die schon in der Erstfassung des DMSG (BGBl. 533/1923) enthaltene Bestimmung des § 11 Abs 1, dass Grabungen der Zustimmung des BDA bedürfen würden, in den Gesetzesfassungen BGBl. 473/1990 und BGBl. I 170/1999 (nicht jedoch in der Fassung BGBl. 167/1978) zunehmend verschärft: 1990 wurde die Grabungsgenehmigung auf solche Personen beschränkt, die ein einschlägiges Studium absolviert hatten oder falls nicht wenigstens einen kommissionell überprüften Befähigungsnachweis erbringen konnten, 1999 schließlich ausschließlich auf AbsolventInnen eines einschlägigen Studiums, also die derzeit geltende Fassung.

Die guten Absichten, die hinter dieser Bestimmung stecken, sind deutlich erkennbar: archäologische Ausgrabungen sollen nur von Personen durchgeführt werden, die zu dieser Tätigkeit auch tatsächlich qualifiziert sind; und das sind wohl in der wunderbaren Welt der denkmalpflegerischen Theorie fraglos jene, die ein einschlägiges Studium absolviert haben (dass damit ganz nebenbei der Berufssektor „archäologische Arbeit“ auch gleich noch günstigerweise auf jene beschränkt wird, die auch Archäologie studiert haben, ist eine angenehme Nebenwirkung, weil für alle anderen kommt diese Bestimmung ja nahezu einem archäologischen Berufsverbot gleich). Und in der wunderbaren Welt dieser Theorie mag es auch sinnvoll erscheinen, allen anderen Menschen die archäologische Grabungstätigkeit schlicht und einfach zu verbieten, weil bekanntermaßen in der wunderbaren Welt der Theorie auch nicht sein kann was nicht sein darf. Das Problem ist nur, dass die häßliche Welt der Praxis leider nicht so ist, wie das die Theorie gerne hätte.

Wie ich schon häufiger kritisiert habe ist die österreichische Archäologie sehr gut darin, sich selbst in ihrer derzeitigen Art zu gefallen und Kritik generell als etwas Negatives zu betrachten, vor allem öffentliche Kritik (Karl 2010, 124-9). Dies führt zu einem ausgeprägten Mangel an Reflexion über die eigenen (wissenschaftlichen und administrativen) Praktiken: als Gut gilt, was man glaubt, immer schon so getan zu haben. Das hat dazu geführt, dass wir in der archäologischen Denkmalpflege nunmehr seit dem ersten Denkmalschutzgesetz keinerlei kritische Reflexion unserer Praktiken vorgenommen haben, sondern einfach so getan haben, als ob ohnehin das Beste getan würde, was getan werden kann. Was wir dabei allerdings verabsäumt haben ist zu überprüfen, ob die (scheinbaren) Lösungen für die archäologische Denkmalpflege, die wir zu gefunden haben glauben, auch tatsächlich im Sinne des Londonder Übereinkommens „im Bereich des Möglichen“, und ob sie auch „zweckdienlich“ sind.


Die Öffentlichkeit und das verbotene Graben nach Funden

Einer der Aspekte, den wir vernachlässigt haben, ist wie die breite Bevölkerung darauf reagiert, wenn man ihr das Suchen (und damit auch das Finden) praktisch verbietet, vor allem jener Teil der Öffentlichkeit, der tatsächlich die meisten archäologischen Objekte (nennen wir sie der Einfachheit halber Bodendenkmale) entdeckt: jene HeimatforscherInnen, die in den letzten 40 Jahren zunehmend technisch aufgerüstet haben und nunmehr überwiegend mit den Metalldetektor auf der Suche nach Bodendenkmalen sind – und diese selbstverständlich auch dann finden (und auch ausgraben), wenn ihnen diese Suche gesetzlich verboten ist. Denn die erste Regel der Rechtsgeschichte ist: nichts sagt mehr darüber aus, was in einer Gesellschaft wirklich passiert ist, als jene Dinge, die die jeweiligen Gesetzgeber wieder und wieder zu verbieten versucht haben. Denn etwas, was ohnehin nicht passiert, braucht man auch nicht verbieten.

Dennoch haben derartige Verbote natürlich Konsequenzen: jene, die etwas Verbotenes tun, verlieren jedwede Motivation, den Behörden über ihre (nun ja verbotenen) Tätigkeiten Auskunft zu erteilen. Das ist ebenso offensichtlich wie vernünftig: nachdem die Meldung einer Selbstanzeige gleichkommt wären jene, die diese verbotenen Tätigkeiten ausüben, ja dumm, wenn sie dies den mit der Strafverfolgung beauftragten Behörden auch noch freiwillig melden würden. Vor allem wenn solche Verbote nicht exekutiert werden, ja in Anbetracht der Realität auch gar nicht exekutierbar sind, wenigstens wenn die Täter nicht Selbstanzeige erstatten, führt das nicht etwa dazu, dass die Mehrheit der das Verbotene Tuenden ihre nunmehr illegale Tätigkeit beendet, sondern vielmehr dazu, dass sie die Tätigkeit weiter ausüben, nur es entsprechend (vor allem vor den Behörden) verheimlichen.

Der von § 8 DMSG erzeugten Motivation für Finder, Funde zu melden, liegt offensichtlich die Erkenntnis zugrunde, dass die Archäologie und insbesondere die archäologische Denkmalpflege auf Meldungen von Mitgliedern der Öffentlichkeit angewiesen ist. Die gegenteilige Lösung zur hadrianischen Fundteilung, das Schatzregal, erzeugt bekanntermaßen für Finder eine starke Motivation, Funde zu verheimlichen, weil Funde, von denen die staatlichen Behörden nichts wissen, von diesen auch nicht eingezogen werden können. Der „Trick“ des § 8 DMSG in Verbindung mit § 400 ABGB ist es nun, den „ehrlichen Finder“, also jenen, der den Fund meldet, durch einen Eigentumsanteil am gemachten Fund zu belohnen, den „unehrlichen Finder“, also jenen, der den Fund nicht meldet, hingegen durch den Eigentumsanteilsverlust zu bestrafen und stattdessen den, der den „unehrlichen Finder“ angezeigt hat, dadurch zu belohnen, dass diesem der Eigentumsanteil des Finders zukommt. Die Meldung (selbst die Meldung durch Anzeige des eigentlichen Finders) wird also belohnt, die Verheimlichung hingegen bestraft. Die Absicht des Gesetzgebers könnte klarer nicht sein: er will, das Funde gemeldet werden.

Und das ist auch ungeheuer wichtig: woher sollen denn die Denkmalschutzbehörden wissen, wo sie eventuell bei Baumaßnahmen oder anderen möglicherweise Bodendenkmale zerstörenden Ereignissen eingreifen müssen, wenn sie nicht von der Öffentlichkeit gemeldet bekommen, wo diese überhaupt vorkommen? Schon Georg Dehio (1905, 273)  hat bereits 1905 bemerkt, dass der ganz wirksame Schutz des Denkmalbestandes nur durch „das Volk“ möglich sei, weil keine noch so gute staatliche Denkmalpflege jemals ausreichend Personal und Zeit haben wird, um sich aller Denkmale dauernd gleichermaßen stark anzunehmen. Wir brauchen also die Fundmeldungen, um zu wissen, wo wir besonders aufpassen müssen.

Diese von § 8 DMSG erzeugte Motivation wird nun jedoch in der heutigen Realität, in der die überwiegende Mehrheit der Heimatforscher mit dem Metallsuchgerät über die Felder, Wiesen und Wälder spaziert und selbstverständlich auch, wenn das Metallsuchgerät anschlägt, nach dem derart entdeckten Fund gräbt, vollständig zerstört und in ihr Gegenteil verkehrt: der „ehrliche Finder“ des § 8 DMSG in Verbindung mit §§ 399 und 400 ABGB wird durch § 11 Abs 1 DMSG in Verbindung mit § 400 ABGB zum „unehrlichen Raubgräber“ deklassiert, der ihm eigentlich von § 399 ABGB in Aussicht gestellte Eigentumsanteil am Fund aberkannt und ihm somit jede Motivation genommen, einen gemachten Fund zu melden. Damit wird zwar in der grauen Theorie des Gesetzes und der theoretischen Denkmalpflege dafür gesorgt, dass nur entsprechend fachlich qualifizierte ArchäologInnen nach Bodendenkmalen graben dürfen, in der häßlichen Praxis der Realität hingegen in erster Linie dafür, dass eben diese ArchäologInnen und DenkmalpflegerInnen von der Mehrheit der gemachten Funde einfach nichts erfahren.

Und dies ist zweifellos eine unerwünschte Nebenwirkung: denn es kann ja nicht unsere Absicht sein, möglichst nichts davon zu erfahren, was in Österreich tatsächlich gefunden wird, sondern unser Ziel ist es ja eigentlich, einen möglichst guten Schutz von Bodendenkmalen zu erreichen – und dazu gehört zweifellos, bei beweglichen Bodenfunden, dass uns diese auch bekannt werden, nicht in einer privaten Sammlung, ob mit oder ohne exzellenter moderner Datenbankerfassung, von der aber außer ihrem Erzeuger kaum jemand weiß, heimlich vor sich hin existieren und damit der Wissenschaft verloren gegangen sind.

Geben wir uns keinen Illusionen hin: ein Fund, der bereits gemacht, der bereits aus dem Boden geholt wurde, kann nicht mehr vor seiner, sei es legalen oder illegalen, Entfernung aus dem Boden und damit (möglicherweise) aus seinem Fundkontext geschützt werden. Ist er also erst einmal aus dem Boden entfernt worden, ist es gleichgültig, und zwar sowohl wissenschaftlich als auch denkmalschützerisch, ob es besser gewesen wäre, wenn er nicht aus dem Boden entnommen worden wäre. Was jedoch bei solchen Funden nicht gleichgültig ist, ist ob wir von ihnen erfahren, oder ob wir von ihnen nicht erfahren. Erfahren wir nämlich von ihnen, stehen sie der Wissenschaft weiterhin (wenngleich vielleicht mit eingeschränktem Aussagenpotential) zur Verfügung. Erfahren wir hingegen nicht davon, stehen sie der Wissenschaft gar nicht mehr zur Verfügung; und was auch immer nach ihrer Entfernung aus dem Boden an Aussagepotential in ihnen verblieben war ist ebenfalls verloren, so als ob dieser Fund niemals gemacht, ja also ob der betreffende Gegenstand niemals gemacht, deponiert und wieder ausgegraben worden wäre. Und das kann nicht zweckdienlich sein.


Die Sondengeher

Um zu zeigen, dass es sich bei den hier angestellten Überlegungen nicht bloß um mehr wunderbare, aber ebenso graue Theorie handelt, habe ich in letzter Zeit mehrere Untersuchungen durchgeführt, die teilweise noch am Laufen sind. Überhaupt auf das Problem gestossen bin ich durch einen sehr groben Vergleich der Fundmeldezahlen durch Mitglieder der Öffentlichkeit in England und Wales (dem Bereich des Portable Antiquities Scheme, kurz PAS), wo Fundmeldungen großteils rein freiwillig erfolgen, Schottland, wo ein allgemeines Schatzregal für archäologische Bodenfunde herrscht, und Österreich (anhand offizieller Zahlen des BDA), in der die schon oben erläuterte Situation vorliegt (Abb. 1, 2). Nachdem mir dieser Vergleich zu grob erschien, führe ich derzeit eine systematische Untersuchung der Fundberichte aus Österreich (BDA 1933-2008, kurz FÖ) durch, deren erste vorläufige Ergebnisse ich hier präsentieren kann. Schließlich führe ich ebenfalls derzeit eine Umfrage unter Sondengehern in Österreich durch, deren erste vorläufige Ergebnisse ich ebenfalls hier präsentieren kann.

Abb. 1: Fundmeldezahlen meldepflichtiger Funde in Enland und Wales, Schottland un Österreich im Vergleich (Zahlen dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt von PAS, BDA)

Abb. 2: Gesamtzahl der freiwilligen und meldepflichtigen Fundmeldungen in England und Wales sowie Österreich im Vergleich (Zahlen für Österreich dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt vom BDA, Zahlen für England & Wales hochgerechnet aus den annual reports des PAS, dunkelgrün: nicht hochgerechnete Zahlen)

Wie Abbildungen 1 und 2 deutlich zeigen, ist in England und Wales seit der Einführung des PAS und der damit einhergehenden Umstellung der Einstellung von ArchäologInnen zu und der Veränderungen des Verhältnisses zu und des Umgangs mit SondengeherInnen ein nachgerade dramatisches Ansteigen der Fundmeldewilligkeit der Öffentlichkeit zu beobachten: in den vergangenen ca. 13 Jahren ist es zu etwa einer Verzwanzigfachung der Zahl eingehender Fundmeldungen gekommen – und zwar sowohl was meldepflichtige als auch nicht meldepflichtige Funde betrifft (bei letzteren hat sich die Zahl sogar etwa Vervierzigfacht). Dementgegen hat das Fundmeldeverhalten in Österreich und Schottland in der gleichen Zeit stagniert oder war sogar rückläufig.

Betrachtet man die österreichischen Zahlen anhand der Meldungen, die in den FÖ veröffentlicht werden, genauer, ist das Bild, das sich zeigt, sogar noch dramatischer. So wurden zum Beispiel im Jahr 2008 (BDA 2008) im Österreich nur 107 Fundmeldungen abgegeben, an denen auch Laien beteiligt waren, die verbleibenden 289 Meldungen stammten von Fachleuten und waren wiederum zum überwiegenden Großteil Grabungsmeldungen (siehe Abb. 3). Überhaupt haben 2008 nur 31 Laien, davon nur 17 allein (d.h. ohne Beteiligung von Fachleuten), Bodenfunde aus Österreich so gemeldet, dass ihre Meldungen auch in den FÖ Aufnahme fanden. Dem gegenüber stehen 195 Fachleute, die bei Fundmeldungen in der FÖ namentlich als Finder genannt werden, sowie 11 weitere Fachleute, die nur bei Leermeldungen (also Meldungen von Grabungsmaßnahmen, bei denen keine oder nur unmaßgebliche archäologische Funde angetroffen wurden) auftraten.

Abb. 3: Fundmeldungen nach FÖ 47 (BDA 2008), aufgeschlüsselt nach Art der Meldung

Als Vergleichswert seien hier beispielhaft die Zahlen aus den FÖ 26 (BDA 1987) wiedergegeben, also vor der Novellierung BGBl. 473/1990 und dem damit einhergehenden erstmaligen Ausschluss der mit Metallsonden suchenden Öffentlichkeit aus der Gruppe der Finder, die durch die Bestimmungen des § 8 DMSG in Verbindung mit §§ 399 und 400 ABGB zu Fundmeldungen motiviert werden. 1987 fanden 481 Fundmeldungen Aufnahme in die FÖ (BDA 1987), von denen 371 von Laien stammten, hingegen nur 110 von Fachleuten (Abb. 4). Insgesamt meldeten 132 Laien, davon 48 alleine, 83 nur gemeinsam mit Fachleuten; und 48 Fachleute.

Abb. 4: Fundmeldungen nach FÖ 26 (BDA 1987), aufgeschlüsselt nach Art der Meldung

Nun gibt es aber keinen Grund anzunehmen, dass sich in Österreich seit 1987 die Zahl der Laien reduziert hat, die nach archäologischen Funden suchen (und diese mit Sicherheit auch finden), schon gar nicht so deutlich, wie die Zahl der Fundmeldungen durch Laien zurückgegangen ist. Vielmehr ist das Gegenteil anzunehmen: die Anzahl der archäologische Funde suchenden HeimatforscherInnen, vor allem jener, die mit Metallsonde nach derartigen Funden suchen, dürfte deutlich angestiegen sein, ja sich vermutlich sogar vervielfacht haben.

Natürlich ist keine genaue Bestimmung der Zahl der mit Metallsonden suchenden HeimatforscherInnen möglich: schließlich müssen sich diese weder registrieren lassen noch melden sie (wenigstens mehrheitlich) ihre Funde dem BDA, sind daher also auch nicht über Fundmeldungen in den FÖ fassbar. Alle Zahlen, die man nennen kann, sind daher bestenfalls sehr grobe Schätzungen. Einigermaßen sicher ist, dass Metallsonden in Europa erst seit den 1970ern durch Privatpersonen häufiger zur Nachsuche nach archäologischen Funden eingesetzt zu werden scheinen (daher auch die fehlende Regelung für die Suche nach archäologischen Funden mit Metallsuchgeräten im DMSG in der Fassung BGBl. 167/1978, wo dies noch kein Problem zu sein schien). Dennoch ist (auch aus den Ergebnissen meiner Umfrage unter Sondengehern in Österreich; siehe Abb. 5) klar, dass es heutzutage sicher über 1000, eher sogar 2000 bis 3000 Personen in Österreich gibt, die als Hobby mit der Metallsonde nach Bodenfunden suchen (auch wenn manche davon spezifisch nur nach jüngeren Gegenständen wie Relikten des 2. Weltkriegs suchen, die eventuell nicht unter die Bestimmungen der §§ 8 und 11 Abs 1 DMSG fallen), während es in den 1970ern maximal wenige hundert solche Personen gab. Das wird auch durch die Zahl der Mitglieder im aktivsten österreichischen Internetforum für Sondengeher bestätigt, die bei etwa 500 liegt. Die Kenner der „Szene“ sind sich jedenfalls – bei allen unterschiedlichen Schätzungen, die es selbst innerhalb dieser „Szene“ gibt – wenigstens dahingehen einig, dass die Zahl derer, die dieses Hobby ausüben, in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen ist.

Abb. 5: Schätzungen von Sondengehern über die Zahl der dieses Hobby in der Vergangenheit und derzeit in Österreich ausübenden Personen (n=22)

Soweit sich das aus meinen bisherigen (zahlenmäßig noch recht beschränkten) Untersuchungsergebnissen ableiten lässt, suchen diese auch nicht selten nach archäologischen Funden, die Mehrheit zwischen 25 und 49 Tagen im Jahr, ein bedeutender Anteil sogar häufiger (Abb. 6), und im Durchschnitt wohl um die 4 Stunden pro Suchtag (Abb. 7). Bei geschätzt angenommenen derzeit ca. 2000 Sondengehern im Land, ca. 35 Suchtagen pro Sondengeher und ca. 4 Stunden pro Suchtag ergibt das geschätzt ca. 280.000 Suchstunden pro Jahr – dass diese Sondengeher also nicht zahllose archäologische Funde machen würden ist unwahrscheinlich. Selbst wenn man annehmen möchte, dass ein solcher Sondengeher nur einen nennenswerten Fund pro ca. 10 Stunden macht, sind das Fundzahlen pro Jahr, die im Vergleich (auf die Fläche des durchsuchten Gebiets hochgerechnet) etwa in der Größenordnung liegen, die auch in England und Wales derzeit im Rahmen des PAS gemeldet wird (2007: 38.115 Fundmeldungen, 66.311 gemeldete Funde, davon ca. 85% von Sondengehern; PAS 2007, 267-77).

Abb. 6: Suchtage pro Jahr (n=24)

Abb. 7: Suchstunden pro Suchtag (n = 24)

Und es ist auch nicht etwa so, dass die österreichischen Sondengeher ihre Funde deshalb verheimlichen, weil sie bloß schnelles Geld machen wollen, und prinzipiell ihre Funde niemals melden würden, weil sie keinerlei historisches Interesse hätten, ihr Hobby auszuüben: ganz im Gegenteil haben praktisch alle, die auf meine Umfrage geantwortet haben, deutlich darauf hingewiesen, dass sie aus historischem Interesse suchen, so gut wie keiner hat angegeben, dass er aus finanziellem Interesse suchen würde (Abb. 8), und so gut wie keiner scheint nennenswerte Beträge durch den Verkauf von Bodenfunden zu erwirtschaften, ja die überwiegende Mehrheit hat sogar angegeben, keinerlei Einnahmen aus ihrem Hobby zu haben und Funde niemals zu verkaufen (83 %, weitere 8% gaben an, Einnahmen ausschließlich durch Verkauf gebrauchter Suchgeräte etc. zu erwirtschaften; n = 24).

Abb. 8: Motivation von Sondengehern für die Suche nach archäologischen Funden (n=23)

Noch ein weiteres vorläufiges Ergebnis meiner Untersuchung erscheint mir in diesem Zusammenhang relevant zu sein: die Tiefe von Bodeneingriffen, die Sondengeher nach ihren eigenen Angaben normalerweise durchführen. Diese scheint sich laut ihren eigenen Angaben nämlich meistens auf die obersten Zentimeter des Bodens, und meistens nicht tiefer als bis zur Unterkante des durchpflügten Bodens zu beschränken – über 90% aller Eingriffe scheinen sich auf den bereits gestörten Oberboden zu beschränken – und so gut wie nie eine Tiefe von mehr als einem halben Meter zu überschreiten (Abb. 9).

Abb. 9: Tiefe von Bodeneingriffen von Sondengehern (n=23)

Dies erscheint insbesondere deshalb hochgradig wichtig, weil eben diese oberste Bodenschicht, wenigstens auf der überwiegenden Mehrheit der von uns archäologisch erforschten Flächen, maschinell abgeschoben und dabei normalerweise weder auf Kleinfunde noch auf Befunde untersucht wird. Dies gilt natürlich insbesondere bei akut anfallenden Rettungs- und bei im Rahmen von großen Bauprojekten anfallenden großflächigen archäologischen Feststellungsgrabungen, aber ist selbst bei Forschungsgrabungen, bei denen man die nötige Zeit hätte, den Oberboden manuell abzutragen, keine Seltenheit. Die überwiegende Mehrheit der Bodeneingriffe von Sondengehern beschränkt sich somit auf jenen Bereich des Bodens, den wir selbst bei einer systematischen archäologischen Erforschung einer Fläche normalerweise überhaupt nicht beachten und unerforscht entfernen lassen würden.

Dabei ist die Verteilung von Kleinfunden im Oberboden – bei vollem Eingeständnis der Tatsache, dass dieser gewöhnlich durch die Eingriffe von Pflug, Pflanzenwurzeln und diversen Tieren normalerweise gestört ist und daher keine Befunde im klassischen Sinn (d.h. unterschiedliche Bodenschichten) enthält und daher bei traditioneller archäologischer Betrachtungsweise vergleichsweise „uninteressant“ ist – keineswegs völlig irrelevant, sondern (selbst vom Pflug teilweise verschleppte) Kleinfundkonzentrationen im Oberboden können wenigstens unterschiedliche Nutzungszonen einer Fläche (um von historischen Schlachtfeldern gar nicht erst zu sprechen), in besonderen Fällen sogar ehemals nur wenig in den Oberboden eingetiefte Befunde (wie z.B. seichte Gräber oder Horte) anzeigen, können damit also ebenfalls Befundcharakter haben und sind jedenfalls wissenschaftlich auch wichtig. Sondengeher retten also scheinbar durch ihre Tätigkeit mehrheitlich archäologische Funde und wenigstens teilweise auch Befunde, die wir selbst, sogar insbesondere bei systematischen Grabungen, vorsätzlich oder wenigstens gedankenlos fahrlässig vernichten. Daher zeigt die fachintern ob der weniger als 10% ihrer Bodeneingriffe, die möglicherweise in noch stratifizierte Bodenschichten eingreifen, so populäre Verdammung von Sondengehern als „Raubgräber“ in erster Linie eine nahezu grenzenlose und gedankenlose akademische Arroganz an, keineswegs hingegen ein Bestreben, der Sache – der bestmöglichen Erhaltung und Dokumentation der Archäologie – zu dienen.

In Anbetracht dieser Tatsachen ist sogar dringend die grabungsmethodische Empfehlung abzugeben, in Hinkuft vor der maschinellen Abschiebung des Oberbodens auf archäologisch zu untersuchenden Flächen mit lokalen, freiwillig mitarbeitenden Sondengehern eine systematische Begehung der abzuschiebenden Fläche durchzuführen, um die im Oberboden enthaltenen Funde zu entdecken, dokumentieren und damit zu retten. Und ob Sie es glauben oder nicht, die Mehrheit der Sondengeher scheint an genau solchen Kollaborationen mit der archäologischen Wissenschaft sogar höchstgradig interessiert zu sein (Abb. 10), nur wir Vertreter der besten Praxis der hehren Wissenschaft waren es bisher zum Großteil nicht. Das ist aber unser Fehler, nicht der der Sondengeher, die uns (sogar gratis) einen Service zur Verfügung stellen könnten, der insbesondere vor großflächigen Grabungen ebenso zum Standard der besten Praxis gehören sollte wie die inzwischen wenigstens einigermaßen weit verbreitete geophysikalische Prospektion.

Abb. 10: Wünsche der Sondengeher an die Archäologie (n=23). Beachten Sie besonders die zweite Gruppe von Antworten bezüglich des Wunschs zu freiwilliger Mitarbeit auf Ausgrabungen, aber auch ganz generell die Wünsche nach besserer Literatur, wissenschaftlichen Fortbildungsmöglichkeiten, Ausbildung in Grabungs- und Dokumentationstechnik, wissenschaftlicher Auswertungstätigkeit und den Wunsch nach wissenschaftlicher Beratung – alles Bereiche, die einen Markt für archäologische Konsulenten darstellen könnten!

Man kann natürlich nun sagen, dass es naiv sei, den Angaben der Sondengeher zu vertrauen, bzw. dass die, die auf meine Umfrage geantwortet hätten, eben die wenigen „weißen Schafe“ unter einer Masse von „schwarzen Schafen“ seien, also die Ausnahmen, die die Regel bestätigen würden. Dafür gibt es jedoch meines Wissens – außer dem beliebten archäologischen Vorurteil, dass alle Sondengeher (bis auf ein paar Ausnahmen, besonders den paar, die man persönlich kennt und mit denen man schon länger heimlich zusammenarbeitet) „böse Raubgräber“ seien – keinerlei Anhaltspunkte. Und in Ermangelung anderer Anhaltspunkte – und insbesondere auch im Vergleich mit den Erfahrungen, die man in England und Wales mit dem PAS gemacht hat – scheint es mir angebracht, den eigenen Angaben der Sondengeher zu vertrauen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht unter den Sondengehern auch tatsächlich „schwarze Schafe“ gibt, die in privater Bereicherungsabsicht archäologische Funde ausgraben, dafür auch so tiefe Löcher graben, dass sie in stratifizierte Bereiche des Unterbodens vorstoßen, und anschließend ihre Funde am Antiquitätenmarkt meistbietend an den Mann zu bringen versuchen. Aber die Vorstellung, dass diese „schwarzen Schafe“ sich durch ein noch so scharfes, aber trotzdem nicht exekutierbares Gesetz von ihrer Tätigkeit abhalten lassen würden, ist ebenso naiv wie lächerlich. Und es hilft auch nichts, einfach alle HeimatforscherInnen, die mit Metallsonden nach archäologischen Funden suchen, in die gleiche Kategorie wie diese „schwarzen Schafe“ einzuordnen und jede Zusammenarbeit mit ihnen zu verweigern, als ob es besser wäre, gar nichts darüber zu wissen, was von diesen Sondengehern gefunden wird, als wenigstens das zu erfahren, dass jene, die zur Zusammenarbeit bereit sind und diese teilweise sogar suchen freiwillig weiterzugeben bereit sind – und was der österreichischen Archäologie sehr nützen würde.

So gut die Absichten waren, die zu § 11 Abs 1 DMSG geführt haben, so schlecht sind die (wie ich hoffe nach dieser Darstellung auch tatsächlich von Ihnen als unerwünscht erkannten) Nebenwirkungen, nämlich eben die weitgehende Demotivation der überwiegenden Mehrheit von in ebenso guten Absichten wie wir handelnden Heimatforschern, ihre Bodenfunde – die sie ja trotz allen Verboten, nach diesen zu suchen, trotzdem machen – nach der Auffindung ordnungsgemäß zu melden. Oder anders gesagt, die Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG führen zum gegenteiligen Effekt des Gewünschten: wir erfahren nichts über wesentliche archäologische Funde und Befunde, die aber trotz der Bestimmungen dieses Paragraphen weiterhin gemacht werden. Und das ist sicherlich nicht zweckdienlich.


Verantwortung ohne Rechte

Dies sollte eigentlich schon ganz für sich ausreichen, dass jeder Archäologe und jede Archäologin erkennen könnte, dass § 11 Abs 1 DMSG in seiner derzeitigen Form ein Vielfaches mehr an Schaden anrichtet, als er an Nutzen bringt. Aber wie es so ist, ist das nicht das einzige Problem, das § 11 Abs 1 DMSG generiert. Denn aus den guten Absichten des Gesetzgebers folgt eine für die Archäologie noch direktere, noch perfidere unerwünschte Nebenwirkung. Und diese betrifft den Kernbereich unserer Tätigkeit, archäologische Ausbrabungen selbst.

Wie bereits erwähnt schreibt § 11 Abs 1 DMSG vor, dass Bewilligungen zur Durchführung archäologischer Ausgrabungen nur an Personen erteilt werden können, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben. Der Gesetzestext sieht jedoch noch einen weiteren Aspekt vor: diesen, und zwar ausschließlich nur diesen, können im Rahmen des Bewilligungsbescheides „Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen … (hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, Meldepflichten, Kontrollen usw.)“, also Aufträge erteilt werden, die die Grabung und alles was damit zu tun hat, betreffen. Wie ich in einer anderen jüngeren Untersuchung von Grabungsbewilligungsbescheiden, die mir von KollegInnen, und den einschlägigen Bescheidvorlagen des BDA, die mir von der zuständigen Fachabteilung (sowohl in alter als auch in neuer Fassung) dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurden, feststellen konnte, gehört zu den standardmäßig erlassenen Auflagen im Rahmen von Bewilligungsbescheiden neben weitgehend unwesentlichen Erinnerungen an Anwesenheits- und Meldepflichten etc. insbesondere die Verpflichtung des Inhabers der Grabungsgenehmigung, für die unbefristet fortgesetzte Geschlossenheit der Fundkomplexe, ihre ebenfalls unbefristet gesicherte konservatorisch adäquate Lagerung und die ebenfalls unbefristete Verständigung des BDA über den Verbleib der Funde Sorge zu tragen.

Diese Auflage, die ob der Bindung des Grabungsgenehmigungsbescheids an natürliche Personen, die ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben, eben ausschließlich den Inhaber der Grabungsgenehmigung als Person, nicht jedoch seine allfällig vorhandenen Auftrag- oder Dienstgeber trifft, verpflichtet also ArchäologInnen zu etwas, was sie in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle keineswegs gewährleisten können, weil sie weder die Mittel noch die rechtlichen Möglichkeiten haben, für diese ihnen aufgetragenen Aufgaben auch tatsächlich Sorge tragen zu können. Denn außer im extrem seltenen Fall, dass ein Archäologe oder eine Archäologin aus eigenen Mitteln eine Grabung auf ihrem eigenen Grundeigentum durchführt, ist durch §§ 399 und 401 ABGB ganz eindeutig geregelt, dass Funde zur Hälfte ins Eigentum des Finders, zur Hälfte ins Eigentum des Nutzungseigentümers des Grundes übergehen und sich gemäß § 401 ABGB „ausdrücklich zur Aufsuchung eines Schatzes“ gedungene Arbeitsleute „mit ihrem ordentlichen Lohne begnügen“ müssen. Nun sind jedoch die überwiegende Mehrheit der ArchäologInnen, die Grabungen durchführen – eben alle, die nicht mit eigenen Mitteln ihre Grabungen durchführen – ebensolche „gedungenen Arbeitsleute“, die keinen Eigentumsanteil an gemachten Funden, ja nicht einmal an der von ihnen erstellten Dokumentation erwerben (obwohl diese eventuell ihr geistiges Eigentum darstellt gehören die Nutzungsrechte an diesen Dokumentationen jedenfalls ebenfalls der juristischen oder natürlichen Person, die sie für ihre Arbeit bezahlt).

Dabei ist es gleichgültig, ob ihr Auftraggeber ihr Dienstgeber ist, wie im Fall von Angestellten öffentlicher Museen, Universitäten, oder anderer Forschungseinrichtungen, die Grabungen aus ihrem eigenen Budget finanzieren, oder ein Dritter, z.B. ein Bauträger, der sie direkt oder indirekt über einen Vertrag mit einem archäologischen Dienstleistungsbetrieb (gleichgültig, welche Rechtsform dieser aufweist) angeheuert hat: der, der für die Aufsuchung der Funde bezahlt hat, dem gehört gemäß § 401 ABGB der Hälfteanteil des Finders, keinesfalls jedoch dem Archäologen oder der Archäologin, die die Grabungsgenehmigung erhalten hat, und die diese nur deshalb erhalten konnte, weil sie eine natürliche Person ist, die nur als solche überhaupt ein einschlägiges Universitätsstudium absolviert haben kann.

Nun verleiht jedoch nur das Eigentum die vollständige rechtliche Kontrolle, mit den Dingen, die dem Eigentümer gehören, nach eigener Willkür frei verfahren zu dürfen. Um aber die Auflagen, die das BDA im Rahmen von Grabungsgenehmigungen erlässt, insbesondere die genannte Sorge für die fortgesetze Erhaltung der Geschlossenheit der Fundkomplexe und ihre konservatorisch adäquate Lagerung, erfüllen zu können, ist rechtlich gesehen das Eigentum erforderlich. Weder der Besitz (rechtlich gesehen die Handhabe verbunden mit Besitzwillen, also die betroffenen Gegenstände auch haben zu wollen) noch die Handhabe (also die betroffenen Dinge tatsächlich zu haben, ohne dies eigentlich zu wollen), die GenehmigungsinhaberInnen vielleicht tatsächlich haben, sind dafür ausreichend.

Das führt zur perversen Situation, dass das BDA mit seinen Auflagen, vor allem bei Grabungen auf Flächen, die noch nicht unter Denkmalschutz stehen, niemals den die rechtliche Kontrolle über Funde und Dokumentation habenden Eigentümer zu treffen vermag, sondern stets nur die genau diese Kontrolle nicht habenden ArchäologInnen, die den Antrag auf Genehmigung der Grabung gestellt haben. Sofern ArchäologInnen also nicht mit dem Eigentümer vor Beantragung der Grabungsgenehmigung einen privatrechtlichen Vertrag abgeschlossen haben, der bestimmt, dass dieser Eigentümer ebenfalls an alle vom BDA dem Genehmigungsinhaber aufgetragenen Auflagen gebunden ist, haftet der Archäologe oder die Archäologin allein und privat für alle Entscheidungen des Eigentümers, wie dieser mit seinem Eigentum verfahren möchte, allerdings ohne jedwede Kontrolle über diese Entscheidungen des Eigentümers zu haben. Und selbst wenn ein Eigentümer einen solchen Vertrag unterschrieben hat, sich aber später entschließt, diesen Vertrag nicht einzuhalten, wird von allfälligen Folgen zuerst der Genehmigungsinhaber getroffen, der sich anschließend eventuell auf privatrechtlichem Weg am Eigentümer der Funde schadlos zu halten versuchen kann (ob mit Erfolg oder nicht entscheidet dann gegebenenfalls das Gericht).

Das ist nicht nur äußerst unangenehm für uns als davon möglicherweise betroffene ArchäologInnen, es ist auch aus denkmalschutzrechtlicher Sicht ausnehmend unpraktisch, um nicht zu sagen exquisit deppert: denn dem, dem das BDA eigentlich Auflagen erteilen können sollte, eben den Eigentümern von Funden und Dokumentationen, darf es keine Auflagen machen. Damit fehlt ihm aber die wichtigste rechtliche Möglichkeit, nicht bereits gemäß §§ 2a und 3 DMSG als Denkmale geschützte Objekte effektiv zu schützen; der Eigentümer darf mangels einer sinnvollen Möglichkeit für das BDA ihm sachdienliche Auflagen zu erteilen mit seinem Eigentum weiterhin verfahren, wie es ihm beliebt; wenn er so will sogar dieses zerstören. Und auch das ist sicherlich nicht zweckdienlich.


Zusammenfassung

Es steht außer Frage, dass die Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG mit den besten Absichten eingeführt wurden: es ging darum, die Vorgaben der Konvention von London einzuhalten, dass archäologische Ausgrabungen nur von qualifizierten Personen mit eigens dafür erteilter Genehmigung durchgeführt sollten; also für die möglichst gute Dokumentation der Archäologie des Landes zu sorgen. Leider hat man es jedoch verabsäumt, die Konsequenzen und vor allem die unerwünschten Nebenwirkungen zu bedenken, die sich aus dem gewählten Lösungsversuch ergeben müssen; und auch, diese Konsequenzen und Nebenwirkungen des gewählten Lösungsversuchs sinnvoll zu evaluieren. Der Weg in die denkmalpflegerische Hölle – und in dieser sind wir nun – war also mit den besten Absichten gepflastert. Und alles, weil wir vergessen haben, dass der Maßstab, mit dem die Qualität einer Lösung zu beurteilen ist, nicht die genaue Einhaltung eines bestimmten Wortlauts ist, sondern ob sie in der Praxis die gewünschten – eben die dem Zweck, der Sache, dienlichen – Resultate bringt.

Die unerwünschten Nebenwirkungen der Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG sind nämlich einerseits die vollständige Konterkarierung der an sich sehr sinnvollen, eine positive Motivation für Finder von Bodendenkmalen bewirkenden Bestimmungen des § 8 DMSG in Verbindung mit den §§ 399 und 400 ABGB und daraus zwingend folgend ein deutlicher Rückgang der Fundmeldungen durch Mitglieder der interessierten Öffentlichkeit, die in der besten Absicht mit Metallsuchgeräten nach solchen Bodenfunden suchen, diese auch finden, aber wenig überraschend nicht daran interessiert sind, sich durch eine Fundmeldung selbst anzuzeigen und den ihnen von § 399 ABGB in Aussicht gestellten Eigentumsanteil an den Funden gemäß § 400 ABGB in Verbindung mit § 11 Abs 1 DMSG gleich wieder zu verlieren. Resultat ist, dass wir, statt eine äußerst nützliche große Gruppe freiwilliger MitarbeiterInnen, die gratis für uns jene Funde und Befunde retten würden, die wir selbst gewöhnlich vorsätzlich oder gedankenlos mit dem maschinellen Abschieben des Oberbodens bei Ausgrabungen vernichten, für die Archäologie zu gewinnen, wir eine ebenso große Gruppe von ob unseres arroganten und abweisenden Umgangs mit ihnen verstimmten, gegenüber der professionellen Archäologie äußerst skeptischen und teilweise sogar dieser gegenüber feindlich eingestellten KonkurrentInnen geschaffen haben, die nun statt ihre Funde der Öffentlichkeit – in deren Auftrag wir arbeiten – und der Wissenschaft – der wir uns verpflichtet fühlen – im Dienste der Sache zur Verfügung stellen, diese in privaten Sammlungen zwischenlagern; und wir höchstens hoffen können, dass sie diese wenigstens in ihrem Nachlass einem Museum stiften, wo sie dann als ungeliebte Altfunde vergammeln werden, wenn sie nicht überhaupt der Wissenschaft vollständig dadurch verloren gehen, dass ihre Erben sie am Antiquitätenmarkt meistbietend verscherbeln, wenn nicht auf der nächsten Mülldeponie endlagern.

Andererseits haben die Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG dazu geführt, dass das BDA keine Möglichkeit hat, den eigentlich Verfügungsberechtigten Auflagen bezüglich des Erhalts der auf archäologischen Ausgrabungen getätigten Funde und angefertigten Dokumentationen zu machen, nämlich eben den Eigentümern dieser Funde im Sinne der §§ 399-401 ABGB und der zugehörigen Dokumentationen; und nun stattdessen versucht, mit nutzlosen Auflagen in Grabungsgenehmigungsbescheiden zu retten, was noch zu retten ist, die jedoch stets nur die bezüglich Funden und Befunden gar nicht verfügungsberechtigten AntragstellerInnen treffen können.


Ein Lösungsvorschlag

Aus diesen Tatsachen lässt sich nur eine sinnvolle Schlussfolgerung ziehen: die Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG sind in ihrer derzeitigen Form der Sache schädlich, nicht nützlich, und müssen daher so rasch als möglich geändert werden. Die Lösungsmöglichkeit, die mir derzeit am sinnvollsten erscheint, ist die folgende:

  1. Die Bestimmungen des § 11 Abs 1 DMSG in seiner derzeitigen Form sind ersatzlos zu streichen.
  2. Anstelle der derzeitigen Bestimmungen ist eine neue Form der Grabungsgenehmigungpflicht vorzusehen, die das BDA nicht etwa an ArchäologInnen, sondern nur an Grundeigentümer und Finder im Sinne der §§ 399 ABGB, also (natürliche oder juristische) Personen, die bei Erdarbeiten archäologische Funde oder Befunde antreffen (könnten), erteilt werden kann.
  3. Grabungen, die nicht tiefer als bis zur Untergrenze des bereits durch Pflug, Pflanzenbewuchs oder Aktivitäten von Tieren gestörten Oberbodens (den durchpflügten Boden auf Feldern, den Humus bzw. Waldboden auf anderen Flächen) in den Boden eingreifen, sind von dieser Genehmigungen auszunehmen, sofern sie eine gewisse Fläche (etwa 1 Quadratmeter) nicht übersteigen.

Ein erster, grober und sicherlich noch zu diskutierender Vorschlag für die Formulierung dieses neuen Grabungsgenehmigungsparagraphen lautet wie folgt: „Der Eingriff in den Boden durch Veränderung der Erdoberfläche bzw. des Grundes unter Wasser (Grabung), sofern dieser tiefer als bis zur Unterkante des durch moderne Ereignisse bereits gestörten Oberbodens reicht und eine Fläche von einem Quadratmeter übersteigt, darf nur mit Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorgenommen werden, sofern § 11 Abs 2 und 9 Denkmalschutzgesetz nichts anderes vorsehen (Forschungsgrabung). Eine solche Bewilligung kann an den Eigentümer des Grundes, auf dem die Grabung vorgenommen werden soll, oder gegebenenfalls auch an andere Nutzungsberechtigte, die über eine Zustimmung zu den geplanten Arbeiten durch den Grundeigentümer verfügen, erteilt werden. Bewilligungen können nur für konkrete Grabungsvorhaben erteilt werden, die im Bewilligungsbescheid klar (unter Anschluss von Plänen, die der Antragsteller beizubringen hat) zu umschreiben sind. Bewilligungen gemäß diesem Absatz können mit Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen verbunden sein (hinsichtlich Fläche und Tiefe, Art der Durchführung, Qualifikation der durchführenden Mitarbeiter, Meldepflichten, Kontrollen usw.). Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Grabungsgenehmigung auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes besteht nicht.“.

Eine derartige Regelung der Grabungsgenehmigung hätte zahlreiche Vorteile für die Archäologie: erstens würde dadurch die Möglichkeit geschaffen, dass das BDA mit allfälligen Einschränkungen, Auflagen und Sonderregelungen tatsächlich die Verfügungsberechtigten, sowohl über den Grund, auf dem die Grabung stattfinden soll, als auch über die während der Grabung gemachten Funde und angefertigten Dokumentation treffen würde und damit erstmals tatsächlich für einen sinnvollen und einigermaßen effektiven Schutz des archäologischen Kulturerbes sorgen könnte. Auflagen bezüglich der Geschlossenheit der Fundkomplexe und der koservatorisch adäquaten Lagerung sowie der Meldung des Fundverbleibs an das BDA würden somit zum ersten Mal wirklich greifen können; und selbstverständlich wäre es auch möglich, die Durchführung archäologischer Ausgrabungen durch fachlich adäquat ausgebildetes Personal (so zum Beispiel Personen mit einschlägigem Studienabschluss) in Form von sachdienlichen Auflagen vorzuschreiben.

Zweitens würde eine solche Form der Grabungsgenehmigung auch automatisch das Verursacherprinzip in der österreichischen Archäologie festschreiben, wie es durch das von Österreich noch immer nicht ratifizierte revidierte Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes (http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/143.htm, abgerufen 14.12.2010) in Art. 6 Abs. ii lit. a vorgesehen ist: wenn der Antrag zu Genehmigung und Auftrag zur Durchführung der archäologischen Ausgrabungen von den für die Erdarbeiten verantwortlichen natürlichen oder juristischen Personen kommt, ist selbstverständlich klar, dass diese auch die Kosten für diese Grabungen zu tragen haben; dafür werden sie dann ja auch Eigentümer der Funde und Dokumentation. Der Staat kann und sollte natürlich weiterhin die Mittel zur Verfügung stellen, um Personen, die kleinere Grabungen durchführen lassen wollen, z.B. zur Errichtung eines eigenen Wohnhauses, entsprechende finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, um diese zur Meldung von allfälligen Funden und der Durchführung archäologischer Ausgrabungen zu motivieren und dadurch den Denkmalbestand der Republik zu schützen; bei Großbauvorhaben hingegen sind die für die Archäologie anfallenden Kosten im Vergleich zu den Gesamtkosten derartiger Projekte marginal und können bei entsprechender Planbarkeit ohne Probleme vom Bauträger getragen werden (der sie letztendlich ohnehin auf den Endnutzer abwälzt).

Drittens, ein ebenfalls nicht unwesentlicher Punkt, würde dadurch die verantwortliche Mehrheit der Heimatforscher, die mit der Metallsonde nach archäologischen Funden im ohnehin schon gestörten Oberboden sucht, nicht nur entkriminalisiert, sondern dieser bedeutenden und für die Archäologie ungeheuer nützlichen Bevölkerungsgruppe wieder die Motivation gemachte Funde dem BDA zu melden zurückgegeben, die in § 8 DMSG für Finder von Bodendenkmalen ja an sich ohnehin schon in hervorragender Weise gefördert wird. Dadurch würden nicht etwa mehr Bodendenkmale zerstört, sondern ganz im Gegenteil, da sich die überwiegende Mehrheit der Sondengeher bei ihrer Tätigkeit ohnehin schon derzeit auf den gestörten Oberboden beschränkt, zahllose archäologische Informationen, die derzeit de facto zwar aufgenommen werden, der Wissenschaft und der Öffentlichkeit jedoch verloren gehen, gerettet und Wissenschaft und Öffentlichkeit endlich zur Verfügung gestellt werden.

Und viertens und letztens würde dadurch auch eine personelle Aufstockung der Abteilung für Bodendenkmale des BDA notwendig, um den größeren Arbeitsanfall, vor allem durch die zu erwartenden zusätzlichen Fundmeldungen, bewältigen zu können. Und nachdem diese Abteilung ohnehin personell gravierend unterbesetzt ist (cf. Tomedi 2002), ist dies ohnehin dringend nötig.

Wie ich in diesem Beitrag zu zeigen versucht habe, nützen noch so gute Absichten nichts, wenn sie nicht in adäquate und entsprechend evaluierte Maßnahmen umgesetzt werden, die auch in der Praxis die erwünschten Erfolge bringen. Die hier angestellten Überlegungen erscheinen mir derzeit als beste Möglichkeit, uns aus der archäologisch-denkmalschützerischen Hölle, in der wir uns derzeit befinden, zu befreien und wieder in eine Welt zurückzukehren, in der archäologischer Denkmalschutz nicht nur eine gute Absicht, sondern eine Realität ist. Der Erfolg oder Misserfolg einer solchen Neuregelung wäre dann natürlich ebenfalls zu evaluieren, aber bei vernünftiger Betrachtung sollte schon jetzt einigermaßen klar sein, dass sie wohl besser wäre als der Zustand, den wir derzeit haben.


Bibliographie

Bazil, Christoph, Binder-Krieglstein, Reinhard, Kraft, Nikolaus 2004. Das österreichische Denkmalschutzrecht. Kurzkommentare, Edition Juridica, Wien: Manz.

BDA 1933-2008: Fundberichte aus Österreich. Band 1-47, Wien: Bundesdenkmalamt.

Karl, Raimund 2010. Macht und Ohnmacht des positivistischen Denkens. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 58, Langenweissbach: Beier & Beran.

PAS 2007. Portable Antiquities and Treasure. Annual Report 2007. London: British Museum.

Tomedi, Gerhard 2002. Fern von Europa: zur Situation der Denkmalpflege in Tirol. Archaeo Tirol, Kleine Schriften 4, 17-30.

Watzlawick, Paul 2001. Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen. 8. Aufl., München: Piper.